Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –

Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

                                                                       (Goethe)

 

 

X. Der Tod

 

 

         Das schmerzhafteste Ereignis im Leben ist der Verlust eines nahe-stehenden Menschen. Im bäuerlichen Leben wurde der Tod für den natürlichen und unvermeidbaren Abschluss des Lebens gehalten. In allem spürte man den Anfang und das Ende, die Geburt und den Tod und man lebte sein Leben zwischen diesen beiden Polen.

Da die Werischwarer katholisch waren und sehr stark an Gott glaubten, wussten sie ganz genau, dass der Tod zum Leben fest dazugehört.

 

 

1. Volksweisheiten und Redewendungen

 

Die Christen Menschen nehmen diese traurige Wendung des Lebens mit Würde hin. Egal wie schwer der Tod die Hinterbliebenen getroffen hat, nahm man es als vorgeschrieben, als Schicksal an [Theis woard so forksriebn]. Vom Verhältnis der Werischwarer zum Tod zeugen viele Volksweisheiten:

 

Die Alten müssen sterben, die Jungen können streben.

Ein jeder bringt sein Tod auf die Welt. [E jedö pringt se Thoad af ti vögy.]

O Mensch, in allem, was du tust, bedenke, dass du sterben mußt.

Zu dieser Betrachtungsweise hat wahrscheinlich auch die hohe Ster-berate der früheren Zeiten wegen Mängel der ärztlichen Versorgung und der Hygiene beigetragen.

Im Zusammenhang mit dem Tod verbreiteten sich auch einige Redewendungen. Wenn jemand, vor allem ein älterer Mensch starb, sagte man folgendes:

Die letzte Stunde hat geschlagen. [Ti leitzti Stund hot kschlogn.]

Die Zeit ist da. [Ti ze:d is to.]

Starb jemand nach langem Leiden bzw. nach einer langen Krankheit, wurde folgendes hinzugefügt:

Dieser ist schon gut aufgehoben. [Thei is scho khuad afkheipt.]

Und wenn jemand früh gestorben ist, sagte man, dass er noch hätte leben können [Thei hed nau léivn khöne].

Beim ganz plötzlichem, unerwartetem Tod bemerkte man, dass es schnell gegangen ist [Theis is ksnö kangö]. Wenn jemand etwas weiter von zu Hause als Folge eines Unfalls oder einer Krankheit gestorben ist, konnte man folgendes hören:

Der Tod hockt am Stein. [Thei Taod, tei haockt um Stá.]

Dem Tod geht man entgegen. [Theim taod khét ma entkhéin.]

Dorthin musste er gehen, weil der Tod dort gewartet hat. [Thuat hoad er miesn hikhe, we: thuat hod er kvart.]

An diesen Gedankenkreis knüpfen noch zwei Sprichwörter an:

Kommt man aus der Not, so kommt der bittere Tod. [Khummt ma as ta noat, khummt ta pittrö taod.]

Heute rot, morgen tot. [Heitö roat, morgen toat.]

Die Sense stand symbolisch (wie auch im Ungarischen) für den Tod. Folgende Redewendungen verwendete man während eines Gesprächs oft scherzhaft oder wenn man jemanden ängstigen wollte. Sie wurden aber auch verwendet, wenn jemand kränklich war.

Wenn er kommt mit der Sense... [Wan er khumt mit de sajngs...]

Warte, er wird schon kommen. [Woart, er werd schö khumma.]

 

 

2. Der Aberglaube und der Tod

 

Mit dem Tod hängen mehrere abergläubische Sitten und Bräuche zusammen, wovon die meisten auch noch heute leben.

Im Volksmund wird oft über die Vorzeichen des Todes gesprochen. Man kann darauf meistens aus den Träumen, aus den Naturerscheinungen, sowie aus dem Verhalten der Menschen und der Tiere schließen.

Wenn jemand einen schlechten Traum gehabt hat [A schléchti trám hob i: khobt], bedeutete das soviel, dass jemand in der Familie sterben wird. Eindeutige Zeichen des Todes waren, wenn man in seinem Traum mit einem Verstorbenen gesprochen hat oder eine weiße Wand mit Kalk bestrich. Träumte man über schmerzende, herausgezogene Zähne, konnte man mit einem Todesfall in der Verwandtschaft rechnen.

Man sagte auch, dass derjenige, der sich zuerst in einem neuen Haus hinlegt, in der Familie als erster sterben wird.

Wenn der Hund des Nachbarn die ganze Nacht seinen Kopf nach unten haltend geheult [te Hund he:jt] und solange gekratzt hat, bis ein Loch entstand, war das auch ein Vorzeichen des Todes in der nächsten Umgebung des Hauses. Eine Frau erzählte mir, dass an dem Tag, als ihr Vater starb, der Hund des Nachbarn die ganze Nacht geheult hat. Und am nächsten Morgen war ihr Vater tot. In diesem Fall hat sich der Aberglaube bestätigt.

Das Erscheinen der Nachtvögel sollte auch auf den Tod hindeuten. Manche waren davon überzeugt, dass dieser todbringende Nachtvogel die Eule ist, andere vertraten die Meinung, dass es in Werischwar keine Eule gab. Nach ihnen war der „Totenvogel” der Kuckuck, er sagte nämlich immer: Komm mit! [Khum mit!]. Schon das Erscheinen dieser Vögel vor dem Fenster bedeutete den Tod.

Auch komische, ungewöhnliche Geräusche oder Klopfen waren schlechte Vorzeichen. Wenn ein Bild plötzlich von der Wand herunterfiel, oder ein Spiegel zerbrach, hatte man etwas zu fürchten.

Auch die Sterne galten als Todeszeichen. Man sagte, dass der fallende Stern immer eine Seele mit sich reißt.

Nicht nur im Zusammenhang mit den Todesvorzeichen verbreiteten sich verschiedene Aberglauben. Man hat auch vieles, das mit der Vorbereitung des Toten auf seinen letzten Weg zusammenhängt, abergläubisch zu deuten versucht. Falls jemand gestorben ist, so wusste man ganz genau, was und warum es gemacht werden soll.

 

 

3. Der Todeskampf

 

Die wichtigste Tätigkeit der älteren Leute wurde mit dem Voranschreiten der Zeit immer mehr die Vorbereitung auf den Tod. Wenn sie das Gefühl hatten, dass ihre letzte Stunde nahte, haben sie all ihre Sachen, die noch nicht erledigt waren, erledigt, wählten ihre Totenkleider aus und teilten der Familie mit, wohin und wie sie bestattet werden möchten. Manche schrieben sogar auf, wer den Sarg, die Windlichter, die Fahne und das Holzkreuz tragen soll. Sie verbrachten viel Zeit mit Beten und Nachdenken, damit sie der Tod auch seelisch nicht unerwartet traf.

Wenn es einen Schwerkranken in der Familie gab, wurde es beim Pfarramt gemeldet. So hat man für ihn in der heiligen Messe gebetet. Lag er schon im Sterben, rief man den Pfarrer und die Angehörigen. Bis der Pfarrer, begleitet von einem Ministranten mit den Sterbesakramenten ankam, beteten die Anwesenden. Im Zimmer standen nun auf einem Tisch zwei brennende Kerzen. Während der Priester die Beichte abnahm, betete man leise in einem anderen Zimmer für den Sterbenden. Bei der Kommunion und der letzten Ölung durften die Verwandten und Bekannten wieder anwesend sein.

Sobald der Tod eingetreten war, wurden die Fenster geöffnet, um die entweichende Seele hinauszulassen. Man mußte aber aufpassen, dass kein Durchzug entsteht, denn so fange die Verwesung des Körpers besonders im Sommer früher an. Deshalb hat man nachher das Fenster zugemacht und eher die Tür geöffnet. Aus ähnlichen Gründen tat man vor die Nase oder auf den Mund des Verstorbenen ein in Weißwein oder Spiritus getränktes Tuch.

Da das Leben stehengeblieben ist, wurde zugleich die Uhr angehalten. [„Ti uar is stéhplibn, tas lébn is stéhplibn.”] Außerdem wurden die Spiegel meist mit einem schwarzen Tuch, mit einem Kaschmirtuch [kasmertichl] verhängt. Es wurden zwei Gründe erwähnt, warum die Spiegel abgedeckt werden mussten. Der eine ist etwas abergläubisch: wenn der Tote sich im Spiegel erblickt, kommt er wieder. Der andere Grund ist etwas glaubwürdiger. Nämlich: die trauernden Angehörigen sollen sich im Spiegel nicht sehen.

 

 

4. Tätigkeiten um den Toten

 

Nach dem Tod begann die stille, ehrende Arbeit, den Toten auf seinen letzten Weg vorzubereiten. Der Tod wurde von einem Arzt festgestellt. In Werischwar gab es ja seit 1875 immer einen Arzt. Davor rief man wahrscheinlich einen Leichenbeschauer.

Dem Toten wurden die Augen sofort zugemacht. Wenn sie aber nicht geschlossen blieben, wurden die Lider mit Münzen beschwert. In diesem Fall sagte man: „Dieser nimmt jemanden mit!” [Thei nimmt waim mit!] oder „Dieser holt/sucht noch jemanden.” [Thei huajgy /szucht noa weim.]

Als erstes wurde der Verstorbene von einem Familienmitglied (meistens von einer Frau) mit etwas Essig und Wasser gewaschen. Außer hygienischen Gründen (da der Tote im Haus aufgebahrt wurde, konnte es bald einen Geruch geben) wollte man ihn wahrscheinlich auf diese Weise symbolisch von seinen Sünden befreien. Er sollte sowohl seelisch als auch körperlich rein in den Himmel gehen. Der Essig und das Wasser waren in einer alten Schüssel, die nachher zerbrochen wurde, damit sie von niemandem mehr benutzt wird.

Den Toten hat man möglichst schnell angezogen. Das konnten nicht alle machen, aber unter den Familienangehörigen oder Nachbarn gab es immer welche für diese schwierige Aufgabe.

Der Todesanzug war immer festlich. Meistens war er das Kleid, womit man sonntags zum Hochamt (um zehn Uhr) gegangen war.

So wurden den Männern ein schwarzer Anzug, meistens ihr Hochzeitsanzug und ein weißes Hemd angezogen. Hut und Stiefel trug der Tote nie, aber er bekam immer Socken. Den Frauen wurden ein dunkles Kleid, ein Kopftuch und Strümpfe angezogen. Während die Jungen wie die Männer angekleidet wurden, trugen die Mädchen ein Brautkleid. Es war nicht unbedingt weiß, eher hell. Auf ihren Kopf bekamen sie statt des Kopftuches einen aus Wachs angefertigten Myrtenkranz [Wochskránzl]. Schuhe bekamen nur die jungen Mütter, die im Kinderbett gestorben sind, denn man glaubte, dass sie über Rosen laufen müssen und ihre Füße durch die Dornen verletzt werden können [thei misn in ti térnö khén und in térnöweg khau ma ned plausfiesig khén]. Die Kleinkinder bekamen ein weißes Kleid. War das ein Junge, so wurde sein Ärmchen mit einem blauen Band umbunden. Mädchen bekamen ein rosa Bändchen.

Unter den Kopf des Verstorbenen wurde ein weißes Kissen gelegt. In seinen zusammengefalteten Händen hielt er einen Rosenkranz, als ob er beten würde. Manchen wurde auch ihr Gebetbuch beigelegt. Der Tote war mit einem Leichentuch [ivötau] bis zum Gürtel bedeckt. Den Kleinkindern ließen dieses Leichentuch die Pateneltern nähen. Dieses Leichentuch war meistens weiß, aber die dunklen Farben wie grau oder schwarz waren auch üblich.

 

 

5. Das Glockenläuten

 

Während dies alles geschah, eilte ein Angehöriger ins Pfarramt und ins Gemeindehaus, um den Tod zu melden. Im allgemeinen gingen die Frauen zum Priester, während die Männer für die Beerdigung sorgten.

Die kleinste Glocke, das Zügenglöcklein wurde am nächsten Morgen nach der Messe geläutet. Für die Säuglinge (Polsterkinder) wurde nicht geläutet. Klang das Läuten ohne Unterbrechung, so war ein Kind gestorben. Bei einer kurzen Unterbrechung wusste man, dass eine Frau gestorben war. Bei einer zweimaligen Unterbrechung war der Verstorbene ein Mann. „Drei Absätze mit 20 Zügen wurden bei Männern, zwei Absätze mit 20 Zügen wurden bei Frauen, bei Minderjährigen und bei Kindern wurde ein Absatz mit 20 Zügen geläutet.”20 Auf diese Weise verbreitete sich die Todesnachricht sehr schnell.

Für diejenigen Werischwarer, die nicht hier begraben wurden, wurde auch geläutet, falls das im Pfarramt gemeldet wurde.

„Jeder Tote wurde in der Regel viermal ausgeläutet. Für Tote, welche die hl. Kommunion noch nicht empfangen hatten, wurde die kleine Glocke, und dreimal die kleine und mittlere Glocke geläutet.”21

Ein Glockengeläute zeigte eine Viertelstunde vor der Beerdigung, dass sie bald beginnt. Das wird „Zachelechtn” genannt. Der Tote wurde bei der Beerdigung auf seinem letzten Weg von der Wohnung bis zum Friedhof (später: vom Leichenhaus bis zum Grab) vom Glockenklang aller Glocken begleitet. Mit diesem sg. „Aslechtn” wird der letzte Abschied vollzogen. „Bis 1945 wurde für den Toten jeden Tag (mittags) ausgeläutet solange, bis der Tote beerdigt wurde.”22

Heutzutage ist das Glockengeläut vor dem Begräbnis und nach der Zeremonie vor der Leichenhalle, wenn der Tote zu seiner Ruhestätte begleitet wird, immer noch zu hören.

In früheren Zeiten hat das Volk dem Glockengeläut entsprechende Worte hinzugefügt und man versuchte es in Sprache zu fassen. „Tot bleibt tot”, klagt die Glocke, wenn jemand stirbt. Das Deuten des Klanges der Glocken geht heute immer mehr zurück und nur wenige Leute, vor allem aus der älteren Generation besitzen Kenntnis davon. Viele können nicht einmal unterscheiden, ob die Glocke zu einem freudigen Fest, zur Messe einlädt oder eben auf Trauerfeierlichkeiten hinweist. Allerdings ist das heute, seitdem die Glocke mit Strom funktioniert, auch sehr schwer zu unterscheiden.

Auch am Tag der Allerheiligen und Allerseelen legte man dem Läuten eine große Bedeutung bei. „Am Allerheiligentag nach dem Abendläuten wurde 15 Minuten mit der großen Glocke, dann 45 Minuten mit allen anderen Glocken zusammen geläutet. Am Aller-seelentag wurde nur in der Früh von 5 bis 6 Uhr geläutet.”23 Dieser Brauch ist bis zu den heutigen Tagen erhalten geblieben.

 

 

6. Der Leichenverein

 

Nach dem Tod wurde als sichtbares Zeichen der Trauer vom Leichenverein die schwarze Fahne gehißt. Dieser Leichenverein sorgte für die Aufbahrung im Haus (heute kommt allen Obliegenheiten vor dem Begräbnis ein Bestattungsunternehmer nach). Auch die Beerdigung verrichtete der Leichenverein. In diesem Leichenverein waren fast alle Bewohner Mitglieder, da er einen Teil der Beerdigungskosten seiner Mitglieder bezahlte. Laut Satzung hatte jedes Mitglied einen festgesetzten Betrag in die Vereinskasse einzuzahlen. Vom eingelaufenen Betrag wurden dann die Begräbniskosten mitfinanziert. Es gab auch Leute, die zugleich in zwei Leichenvereinen Mitglied waren, und zwar im Leichenverein von Werischwar und Sanktiwan. Auf ihrer Beerdigung hatte man doppelt so viele Fahnen und Windlichter. Auch dann wurden mehrere Fahnen getragen, wenn der Verstorbene in einem anderen Verein (z. B. Freiwillige Feuerwehr) Mitglied war.

Der Leichenverein hatte eine Trauerfahne, die bei jedem Begräbnis vorangetragen wurde. In der Mitte dieser Fahne war ein Bild eines Heiligen. In Werischwar war dies das Bild von Maria. Leider wird heute diese Fahne nicht mehr benutzt, sondern nur eine ganz schwarze. Es ist noch in Erinnerung, dass die Fahne bei den Ledigen blau oder weiß war, während es bei der Bestattung der Kleinkinder überhaupt keine Fahne gab.

Meistens wurden ältere Frauen mit der ehrenden Aufgabe beauftragt, Fahnenmutter zu sein. Der Fahnenstock war voll mit kleinen Nieten, in denen die Namen derer eingraviert wurden, die zur Anfertigung der Fahne beigetragen haben. An der Fahne hingen auch verschiedene Bänder.

Außer der Fahne hatte der Leichenverein am Tag der Beerdigung ein Kreuz mit einer langen Stange und sechs Windlichter zur Verfügung gestellt.

 

 

7. Die Aufbahrung

 

Wie bereits erwähnt, wurden die Toten bis 1945 zu Hause aufgebahrt. Die Aufbahrung dauerte zwei Tage lang. Es gab auch eine Vorschrift, nach der der Tote zur Vermeidung des Scheintodes erst 36 Stunden nach dem Tod begraben werden durfte.

Der Tote wurde in der sog. reinen [Verziördö stum] oder vorderen Stube [Fédöstum] aufgebahrt, wo niemand geschlafen hatte. Trotzdem stand hier ein Bett, Himmelbett [Himüpeit] genannt, das schön gemacht wurde. Man konnte darauf das gestickte Leinentuch mit dem Monogramm des Toten sehen. Das waren Vorsteckbetttücher, über die alle Familienmitglieder im Haus verfügten.

Der vom Tischler angefertigte Sarg wurde auf den Tisch oder auf zwei Stühle, die mit einem Brett verbunden waren, gestellt. Der Tote sollte gegenüber der Eingangstür mit den Füßen zur Tür liegen, damit diejenigen, die ins Zimmer treten, ihn sofort sehen konnten. Seine Lage mit den Füßen zur Tür stand mit Sicherheit symbolisch auch dafür, dass er das Haus verläßt.

Der Sarg wurde aus verschiedenen Holzarten von einem Tischler angefertigt. Die ältesten Werischwarer Tischler, die Särge gemacht ha-ben, hießen Schreck, Mirk und Lieber. Die Reicheren bestellten Hart-holz oder sogar Nussbaum, während sich die Ärmeren mit Weichholz begnügen mußten. Die Farbe des Sarges hing von dem Alter ab: die Kinder und die Jugendlichen wurden immer in weiße, die älteren Leute eher in dunklere, braune oder selten in schwarze Särge gelegt. Auf den Sarg wurde anfangs der Name sowie das Geburts- und Sterbedatum des Toten gemalt, später verwendete man dafür vergoldete und verzierte Papierbuchstaben. Außerdem wurde der Sarg mit Blumenmotiven oder/und mit Engelsfiguren verziert. Auf dem Sarg, der früher viel eckiger war als heute, war immer ein Kreuz.

Neben dem Sarg, im allgemeinen auf der rechten Seite, stand ein mit einem schwarzen Tuch bedeckter Hocker oder Nachttisch. Darauf leuchteten zwei Kerzen und zwischen denen standen das Weihwasser mit dem Buchsbaumzweig und ein Stehkruzifix.

Angehörige, Verwandte und Nachbarn waren in diesen Tagen an der Totenbahre. Oft wurden die Kinder auch mitgebracht. Natürlich hatten viele Angst vor dem Toten. Da sagte man ihnen, dass sie die große Zehe des Toten anpacken müssen und dann werden sie sich nicht mehr fürchten. [Tu muast ti krauzn céhel aupokn pa da ál, nod werst ti nimö fiechtn.] Die Besucher (nicht nur die nächsten Angehörigen, sondern auch die fernsten Bekannten) kamen ins Zimmer, grüßten die anderen, beteten und segneten den Verstorbenen mit Weihwasser [Be:htwossö]. Dazu verwendeten sie interessanterweise keinen Rosmarinzweig, der im Leben der Ungarndeutschen eine so große Bedeutung hatte, sondern einen Buchsbaumzweig. Heute wachsen im Fried-hof vor dem mittleren Kreuz immer noch Buchsbäume.

War ein Kleinkind oder ein Lediger/eine Ledige gestorben, brachten die Verwandten und Bekannten Heiligenbilder mit und legten es auf seine Brust. Häufig kamen so viele Bilder zusammen, dass sie das tote Kind völlig bedeckten.

Es wurde das Rosenkranzgebet gebetet. Zu Mittag und am Abend betete man laut mit Hilfe einer verwandten Frau, Vorbeterin genannt, verschiedene Gebete für den Verstorbenen, für seinen Namenspatron und für die Hinterbliebenen: „Vater Unser”, „Der englische Gruß”, „Der Engel des Herrn”, „Das apostolische Glaubensbekenntnis” und „Gebete um eine selige Sterbenstunde”:

 

Komm, mein Jesus, zum Beschluss,

wenn ich zeitlich sterben muss,

wenn mich alle Welt verlässt,

hält mich doch mein Jesus fest.

O Jesus, spann mich aus,

führ mich in des Himmels Haus.

Schick mir deinen Engelswagen,

dass ich kann zu Jesus fahren.

Meinen Bräutigam hab’ ich schon,

der ist Jesus, Gottes Sohn.

Der wird mich in den Himmel führen,

und mein Grab mit Rosen zieren.

Ach, wie schön wird das sein,

wenn wir werden bei Jesus sein.

Am heiligen Karfreitag, da haben wir

das bittere Leiden und Sterben

unseres Herrn, Jesu Christi.

Da kommen die Juden gegangen,

nahmen Gott, den Herrn gefangen.

Mit Stricken gebunden, mit Geisseln geschlagen,

Da bluten ihm seine heiligen fünf Wunden.24

 

Man nannte diese Sitte das „Wachten” [Wohtn], um auf diese Weise den Toten die letzte Ehre erweisen zu können. Laut der Monographie von Michael Fogarasy-Fetter25 wachten jeweils bis Mitternacht die Frauen und nach Mitternacht die Männer.

Meine Informanten waren dagegen fest überzeugt davon, dass es eine solche Einteilung nicht gab. Es gab aber zahlreiche Beispiele dafür, dass, während die Frauen beim Toten beteten, die Männer in der Küche Wein tranken.

Seitdem die Toten in der Leichenhalle aufgebahrt werden, konnte man zu Hause nur noch solange wachten, bis der Verstorbene vom Leichenverein weggetragen wurde. Dann wurde der Tote von den Verwandten und Nachbarn immer noch auf den Friedhof begleitet. Außerdem ging man mittags und abends bis zur Beerdigung immer in die Leichenhalle, um dort in gewöhnlicher Weise zu beten. Seit den 80er Jahren gibt es diese Tradition auch nicht mehr. Der Verstorbene wird vom Haus binnen zwei Stunden auf den Friedhof gebracht und man kann beim Toten nur zwei Stunden vor der Beerdigung „wachten”. Der Vorbeter, der unmittelbar vor der Beerdigung und während des Totenzuges gebetet hat, war bis zu den 60er Jahren ein Mann und zwar der Totengräber. Aber seitdem gibt es nur Vorbeterinnen. Sie kommen eine Stunde vor der Beerdigung in die Leichenhalle und beten mit den Angehörigen der Verstorbenen.

 

 

8. Die Beerdigung

 

Die Beerdigung wurde bis zum Advent des Jahres 1962 nach der lateinischen Zeremonie abgehalten. Die Grabrede, die Gebete und die Lieder waren bis 1945 größtenteils deutsch (nach Wunsch der Familie). Seit 1945 gibt es aber nur noch Beerdigungen in ungarischer Sprache. Ein Gebetskranz wird beim Wachten in der Leichenhalle noch deutsch gebetet und während der Zeremonie werden auch einige deutsche Lieder gesungen.

Im Gegensatz zu den heutigen Zeiten fanden früher auch samstags, sonntags, aber auch an Feiertagen Beerdigungen statt. Heutzutage werden sie nur während der Woche abgehalten.

Früher wurden die Begräbniszeremonien meistens am Nachmittag um 3 Uhr abgehalten. Aber es kam auch vor, dass die Bestattung um 11 oder zwischen 13 und 16 Uhr stattfand. Der Zeitpunkt hing immer von verschiedenen Faktoren ab: Jahreszeit, Wetter, wie weit der Weg vom Haus des Verstorbenen bis zum Friedhof ist.

Das Grab wurde am Vormittag der Beerdigung anfangs von den Verwandten, meistens von den Sargträgern, später vom Totengräber [Króbmocha/Toatnkrébö] ausgegraben.

Wenn der Pfarrer mit den Ministranten ankam, zog man das Leichentuch über den Toten, machte den Sarg zu und stellte ihn in den Hof. Auf der einen Seite des Sarges stand der Fahnenträger mit der Fahne des Leichenvereins, auf der anderen Seite der Kreuzträger. Am Sarg standen die Sargträger und um den Sarg die Chormitglieder und die Musikanten. Bei den Jugendlichen haben sie im Hof das Lied „Kranz der Jugend” gesungen.

 

Der Kranz der Jugend ist verwelket,

die Blumen sind abgefallen,

im Frühling meines Erdenlebens

geh’ ich nun hin zum stillen Grab.

Ich hab’ gehofft noch lang zu leben,

doch in der schönsten Jugendzeit

nimmt mich der Tod von meinen Lieben

/: und führt mich in die Ewigkeit:/

 

Nun Eltern mein zum letzten Male

streck’ ich die Hände aus nach euch.

Lebt wohl bis wir uns wiedersehen

dort oben einst im Himmelreich.

Ich danke für alle Sorg’ und Mühe,

die ihr gehabt so oft mit mir.

Gott wird euch alles reich vergelten

/:und segnen liebend euch dafür:/

 

Ihr Geschwister Gott mit euch auf Erden,

bis wir einander wiedersehen,

vergesst mich nicht und denket meiner,

dies ist mein allerletztes Fleh’n,

und alle Freunde und Verwandte,

die wehmutsvoll um mich geweint.

Gott tröstet euch bis wir uns sehen

/:in seinem Reiche froh vereint:/

 

Angeblich hatte die Gemeinde schon ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine Blasmusikkapelle. Die Ledigen begleitete sie oft auf ihrem letzten Weg. Erst im 20. Jahrhundert kam es in Mode, dass auch die Verheirateten mit Musik begraben wurden, was aber heute wiederum seltener der Fall ist. Während der Beerdigung spielte die Kapelle Trauermärsche und nach der Zeremonie ein Lied zum Verstorbenen. Das waren meistens seine Lieblingslieder oder wenn der Verstorbene ein Bergmann war, spielten die Musiker den Bergmannsmarsch.

Es war eine Pflicht des Nachbarn, Glut vorzubereiten. Nachdem der Pfarrer mit den Ministranten angekommen war, lief einer ins Nachbarhaus und holte die Glut für das Rauchfass.

 

 

9. Der Totenzug

 

Es ist schwer, eine allgemeine Beschreibung der Bräuche zu geben, denn sie waren immer von der gegebenen Person und Familie abhängig. Die meisten Unterschiede tauchen jedoch beim Totenzug auf, wo zwischen Säuglingen, Jugendlichen, Verheirateten und Selbstmördern ein Unterschied gemacht werden muss.

Die Bestattung eines Kindes unter 10 Jahren war sehr einfach. War ein Säugling (Mädchen) gestorben, trug eine junge Brautjungfer aus der Verwandtschaft der Taufeltern – ganz in weiß gekleidet – den kleinen Sarg auf dem Kopf in den Friedhof. Der Sarg wurde mit Hilfe eines aus Stoff genähten Ringes [kháopfriegl] auf ihren Kopf gefestigt. War das verstorbene Kleinkind ein Junge, so wurde es von einem Jungen auf den Kopf getragen. In diesem Fall hatte der Priester nur ein Priesterhemd mit einer Stola an. Hier verwendete man das Räucherfass auch nicht und es gab nur einen Ministranten und einen Kreuzträger.

Wenn ein älteres Kind oder ein junger Mensch (Ledige/Lediger) verstorben war, trugen den Sarg auf einer kleineren Totenbahre junge Männer auf ihren Schultern auf den Friedhof.

Sie wurden aus der Verwandtschaft des Verstorbenen ausgewählt, waren meistens Cousins, Söhne der Pateneltern und Freunde. Die jungen Männer, die den Sarg trugen, hatten an ihren rechten Arm mit einem weißen Band einen Rosmarinzweig gebunden, den sie nachher ins Grab warfen. Auch der Ministrant, der das Kreuz der Kirche trug, hatte so ein Band und auf das Kreuz wurde auch ein Band gebunden.

Wahrscheinlich besaß die Gemeinde bereits am Ende des 19. Jahrhun-derts einen Pferdewagen, womit die Verheirateten und die älteren Leute auf ihren letzten Weg begleitet wurden. Vor dem Leichenwagen waren zwei weiße Pferde eingespannt. Der Kutscher hat sich als ein Trauerhusar angezogen, er hatte sg. „Birschnschnieler” an. Auf seinem Hut war ebenso wie auf dem Zaum eine Feder, deren Farbe vom Alter des Verstorbenen abhing. Sie war bei Unverheirateten weiß und bei Älteren hellblau.

Der Tote wurde vom Priester zum ersten Mal auf dem Hof eingesegnet, da die Zeremonie eigentlich hier abgehalten wurde. Hier hielt der Pfarrer auch eine kurze Abschiedsrede. Dann ging der Trauerzug mit den Verwandten, Angehörigen, Bekannten, Nachbarn in den Friedhof. Inzwischen beteten sie den Rosenkranz und sangen Lieder. Der Totengräber (János Freß, später János Sasvári/Spiegelberger) passte auf, dass man dabei nicht plaudert. So rannte er ständig hin und her und forderte die Gläubigen zum Singen und Beten auf.

Der Beerdigungszug hatte eine feste Ordnung. Am Anfang der Pro-zession ging der Totengräber. Hinter ihm war ein Ministrant mit dem schwarzen Kreuz der Kirche und ein junges Kind aus der Verwandt-schaft oder Nachbarschaft, das das Grabholz mit dem kleinen Kranz trug. Auf dem Grabholz stand auf einem kleinen Schild der Name des Verstorbenen und das genaue Geburts- und Sterbedatum. Dann ka-men die Fahnen- und Kreuzträger auf der rechten und linken Seite. Ihnen folgten die Männer, die Musikanten und der Chor. War ein Kind oder ein Jugendlicher gestorben, so gingen vorne 10-15 Braut-jungfer: Verwandte, Freundinnen und Nachbarinnen. Sie hatten Festkleider [We: spratzfiadö] in unterschiedlichen Farben und einen Myr-tenkranz an. 

Man wollte nämlich alles so machen, als wäre die Beerdigung die Hochzeit des Verstorbenen. In diesem Fall verteilte man am Haus auch Kerzen, die die Angehörigen bis zum Grab trugen. Die Brautjungfer trugen auch die Kränze, die sonst von älteren Frauen getragen wurden. Nach ihnen kamen die Fahnen- und Kreuzträger auf der rechten und linken Seite vor dem Sarg. Der Pfarrer, zwei Ministranten und der Kantor gingen unmittelbar vor dem Sarg. Sechs Männer mussten den Sarg tragen und sechs die Windlichter [Leihter] halten. Diese sowie die Kreuz- und Fahnenträger waren meistens der Gevatter oder seine Söhne bzw. das Patenkind, der Firmpate oder seine Söhne oder das Firmenkind, die Cousins, die Nachbarn und eventuell die Freunde. Diese Männer wurden von der Familie des Verstorbenen aufgefordert (von den Männern) und dann wurde vor der Beerdigung vom Totengräber eingeteilt, wer was tragen soll. Der Totengräber musste aufpassen, dass das Kreuz von einem höheren Mann und der Sarg von ungefähr gleich hohen Männern getragen wurde.

War ein Mitglied der Kirchenvertretung gestorben, trug man drei Lichter mehr. Die Träger hatten bei Jugendlichen ein hellblaues, bei älteren Leuten ein schwarzes Band umzubinden.

Hinter dem Sarg gingen die nächsten Angehörigen und andere Gläubigen. Die trauernden Frauen schlossen den Zug. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich da, dass die Frauen im Haus waren, während die Zeremonie auf dem Hof stattfand. So verließen sie zuletzt den Hof. Sie wurden deswegen von den Bewohnern der Nachbardörfer oft ausgelacht. Man sagte, dass die Werischwarer Frauen die Fenster öffnen und nach außen weinen.

Nach dem Weltkrieg hat sich diese Reihenfolge etwas verändert. Dem Sarg folgen die nächsten Angehörigen des Verwandten. Männer und Frauen gehen aber auch heute noch getrennt und die Kränze werden immer noch von den Frauen zum Grab getragen. Der Brauch, dass der Sarg von Verwandten und Bekannten getragen wird, nimmt immer mehr ab. Oft werden auch die Windlichter von Leuten der Bestattungsunternehmer getragen. Das große Kreuz, das von einem Ministranten getragen wurde, gibt es heute nicht mehr. Aber auch Ministranten nehmen heutzutage nicht in so großer Zahl an Beerdigungen teil wie früher.

Der Trauerzug ging bis zum Grab. Da der Friedhof kein Besitz der Kirche ist, musste und muss das Grab vom Priester eingesegnet werden. Nach der Beerdigung verabschiedeten im allgemeinen neben dem Pfarrer die Sänger und Musiker den Verstorbenen. Als Lied wurde im-mer das am meisten angemessene gewählt. Dies bezeugen einige Stücke aus einer Sammlung vom Anfang des Jahrhunderts, wovon viele Lieder bis zum heutigen Tage gesungen werden.

Das folgende Lied wurde bei der Beerdigung eines Kindes gesungen:

 

O, weinet nicht ihr liebe Eltern,

es hat ja mir so schön geträumt.

Ich sah den hohen Himmel offen,

das Tor mit goldnem Licht umsäumt.

Dort stand ein Engel ganz umflossen

von jenem Licht und rief mir zu:

Komm rauf zu uns, verlass die Erde

du treues Kind, du liebes du.

 

Hier wirst du wohnen, unter Engeln

und Seligkeit dein Anteil sein.

Darum verlass ich diese Erde,

lebt wohl o Vater, Mutter mein.

Dort oben werd’ ich für euch beten,

dass einst nach Jammer, Not und Leid

der Allerbärmer gütig nehme

auf euch in seine Herrlichkeit.

 

Die mich geliebt, ihr Schwester, Brüder

bleibt immer treu, fromm und gut.

Und ehrt die Eltern hier auf Erden,

helft ihnen stets mit frohem Mut

des Lebens schwere Bürde tragen,

dann wird euch Gott barmherzig sein.

Und führen euch am Lebensende, zu sich,

in seine Freude ein.

 

Wenn eine Mutter starb, hat der Chor dieses Lied gesungen:

 

Seid ruhig Kinder, laßt das Weinen,

und stört mich nicht in meiner Ruh’.

Das Mutterherz ist nun gebrochen,

Der Tod schloß meine Augen zu.

Die letzte Träne, die ich weinte im Todeskampf,

war ein Gebet für euch ihr Kinder,

da so frühe die Pflegerin zum Grabe geht.

Nun, Eh’mann, nimm für deine Liebe

dahin mein letztes Lebewohl!

Der Herr soll segnen dich auf Erden,

Er macht dein Leben freudenvoll.

Und ihr, ihr meine lieben Kinder!

kommt manchmal hin zu meinem Grab.

Und betet innigst für die Mutter,

die frühe sinket dort hinab.

 

So lautete das Lied, das bei der Verabschiedung eines älteren Menschen gesungen wurde:

 

Hier kann ein jeder sich betrachten,

sich fragen was das Leben sei.

Wohin dein Ziel, dein Müh’ und Trachten,

und ist vom Tod doch keiner frei.

Kurz ist der Weg, durch das Erdenleben,

schnell brennt die Lebensfackel ab.

Für all’ deine Mühe und Bestreben

/: gibt dir die Welt zum Lohn das Grab:/

 

Der Tod als Straf’ das Sündenfalles

ist allen Menschen auferlegt.

Hin zur Verwesung ruft er alles

dort ist sein’ Hand, die alles deckt.

Doch unsere Seele ist befreut

vor der Verwesung morscher Hand.

Durch Jesu Tod ist sie geweichet

/: zum Leben dort ist Vaterland:/

 

Nun reisefertig will ich sagen

dir liebstes Eh’weib, lebewohl,

leb wohl in vielen fernen Tagen,

dein Leben sei stets segenwohl

litt Schmerz, scheid’ ich zuvor heut’ von hierein,

doch kurz nur ist die Trennungszeit,

froh seh’ ich dich dann nun beginnen

/: in einer neuen Ewigkeit:/

 

Ihr Kinder, euch sei ja der Segen von Gott

herab auf euch erfleht.

Betracht in allen eueren Wegen,

wie ihr mit Gott und Tugend steht,

lebt wohl, ihr Schwester und Verwandte,

verzeih’, wenn dich beleidigt hab’.

Ihr alle, die mich treu geliebet

/: kommt und begleitet mich zum Grab:/

 

Ihr lieben Nachbarn und ihr Freunde

mit Schmerze von euch ich heut scheid’.

Lebt wohl, Bekannte und ihr alle,

denket mein im Gebet, verzeiht.

Ihr Träger traget mich zum Grabe,

wo ich dort ewig ruhen soll,

dort werd’ ich ja der Würmer Habe

/: gute Nacht, lebet alle wohl:/

 

Das folgende Lied sang der Chor unter anderem noch beim Grab:

 

Das Schicksal tut keinen verschonen,

Der Tod verfolgt Zepter und Kronen;

Eitel, eitel ist zeitliches Glück,

Alles, alles fällt wieder zurück,

fällt wieder zurück.

 

Jetzt wird mich die Erde bedecken,

Bis mich die Posaunen aufwecken;

Ich erwarte das letzte Gericht,

Ich hoffe das ewige Licht,

das ewige Licht.

 

Was weinet ihr Schwester und Brüder,

wir sehen einander ja wieder,

an dem Tage des letzten Gerichts,

fürchtet Gott und den Tod fürchtet nicht,

den Tod fürchtet nicht.

 

Die Tränen sind Zeichen der Liebe,

doch sind sie natürliche Triebe;

nur um Eines, um Eines bitt’ ich,

betet täglich und betet für mich,

und betet für mich.

 

Der letzte Teil der Zeremonie war, dass der Priester mit einer Hacke einen kleinen Erdkloß ins Grab warf. Dann taten das auch die nächsten Angehörigen mit ihren Händen. Es war Brauch, dass die Ange-hörigen in einer Flasche Weihwasser mitbrachten und das Grab damit bestreuten.

Bevor alle weggingen, dankte der Totengräber im Namen der trauernden Familienangehörigen allen für ihre Anwesenheit zur letzten Ehrerweisung des Toten. Später hat ein Familienangehörige Dank gesagt. Am Anfang der Danksagung nannte man zuerst den Namen des Toten und dann kam ein kurzer Text:

„Im Namen des christlichen Leichenvereins sage ich vergelt’s Gott bei denen, die unser Mitglied zum ewigen Ruhebett begleitet haben. Gelobt sei Jesus Christus!”

Dieser Brauch besteht nicht mehr, statt dessen wünscht man den Trauernden herzliches Beileid. Das Grab wurde dann, nachdem alle Anwesenden nach Hause gegangen waren, vom Totengräber zugeschüttet. Heutzutage bleiben dagegen die Trauernden solange, bis der Sarg eingegraben ist und die Kränze auf das Grab gelegt sind.

Von den Selbstmördern hat sich die Gesellschaft sehr ferngehalten. Sie mussten am Rande des Friedhofs ohne jegliche Zeremonie begraben werden. Höchstens betete man ein „Vater unser” vor dem Grab. Wenn die Beerdigung doch von einem Pfarrer zelebriert wurde, trug er nur ein Priesterhemd wie bei den kleinen Kindern.

Der Kranz wurde aus verschiedenen Blumen vom Tischler, der den Sarg gemacht hat, angefertigt. Üblich waren die Kränze aus Krepppapier.

Jedenfalls gab es früher viel weniger Kränze als heute. Im allgemeinen waren es nicht mehr als 3-4, da nur die nächsten Verwandten welche machen ließen. Nach der Beerdigung wurden sie auf den Grabhügel gelegt. Man ließ sie 6 Wochen lang darauf.

 

 

10. Das Requiem

 

Lange Zeit fand das Requiem an dem, der Beerdigung folgenden Morgen statt. In den letzten Jahrzehnten wurde es sofort nach der Beerdigung abgehalten, und seit einigen Jahren wird die Totenmesse montags zelebriert.

Vor dem Altar wurde ein symbolischer Sarg aufgestellt, der mit einem schwarzen Tuch abgedeckt wurde. Daneben standen auf beiden Seiten 3-3 Kerzen und auf dem Sarg stand ein Kruzifix.

Nach der Messe zog der Pfarrer sein Messkleid aus und trug nur einen schwarzen Mantel. Er hatte auch das Räucherfass dabei und ein Ministrant trug ein schwarzes Kreuz. Eigentlich wurde die gleiche Zeremonie durchgeführt wie am Grabe.

 

 

11. Die Trauer

 

Die Trauer dauerte in der engsten Familie anfangs 4 Wochen, später schon 6 Wochen lang, die aber sehr streng eingehalten wurde. Es kam aber vor, dass man nach sechs Wochen wieder geheiratet hat. Vor allem, wenn der Ehepartner viele Kinder hinterließ. Das Maß der Trauer hing auch davon ab, wer gestorben ist. Bei Kleinkindern war die Trauer nicht so groß. Wenn aber ein Ehepartner gestorben ist, dauerte sie ein Jahr lang. Bei ganz alten Leuten trauerte man im allgemeinen auch nicht mehr als ein halbes Jahr.

Während dieser Zeit trug man dunkle, schwarze Kleider und man verzichtete auf die verschiedenen Unterhaltungsprogramme. Sogar in die Kneipe durften die Familienangehörigen nicht gehen.

Die äußeren Zeichen der Trauer waren an den Männern nicht zu beobachten. Sie trugen schwarze „Stiefelhosen”, weißes Hemd, schwarzes Leibchen, Sakko, Hut und schwarze Stiefeln und an Wochentagen eine Schürze dazu. Wenn sie ernten gingen, mussten sie weiße Leinhose anhaben. Die Frauen dagegen trugen dunkle Kleider (Rock, Schürze, Jankel/Juppel) – falls sie keine schwarzen hatten –, schwarze Kopftücher und Strümpfe, um ihre Traurigkeit zu zeigen. An Wochentagen liefen sie im schwarzen Werktagskleid, Waschkleid [Woschze:g] herum. Zur heiligen Messe am Sonntag zogen sie sich ein Kleid aus einem schöneren Stoff [Khamgarn] an. Das war ein „tiechene kittl” mit „jangl” oder „Listefieder”.

Betrauert wurde der Verstorbene von den engsten Familienmitgliedern und den Pateneltern bzw. Patenkindern, aber auch die Cousinen trauerten, zumindest dann, wenn sie in die Kirche gingen.

Heute legt man auf die Äußerlichkeiten immer noch großen Wert. Es gibt viele, die um den Verstorbenen ein Jahr lang trauern und nur schwarze Kleider tragen. Angeblich hat man das von anderen übernommen; der Mensch ist ja so, dass er den anderen immer etwas über-treffen möchte. Das ist in der letzten Zeit auch für die Tätigkeiten um das Grab charakteristisch. Viele sind bestrebt, ihren Angehörigen einen teuren Grabstein machen zu lassen, um so zu zeigen, wie sehr sie sie geliebt haben. Es ist auch schon zu einer Sitte geworden, dass man während der Woche öfter mit frischen Blumen auf den Friedhof geht. Das ist natürlich ein schöner Brauch, solange er nicht übertrieben und nur der Äußerlichkeit wegen gemacht wird.

Für den Jahrestag des Todes bestellen die Familienangehörigen eine Messe für den Verstorbenen. Diese Sitte geht auch auf eine lange Tradition zurück und wird heute in vielen Familien immer noch ausgeübt.

 

 

12. Gedanken zu den Veränderungen

 

Es ist für die Werischwarer sehr typisch, dass sie den Veränderungen gegenüber offen sind. Oft sind sie zwar nicht einverstanden, aber sie finden sich damit ab. So ging es auch mit den Veränderungen bezüglich der Bestattung. Während sich die Bevölkerung der umliegenden Dörfer gegen die Reformen aufgelehnt hat, nahm man in Werischwar alles an. In Schaumar zum Beispiel hat man noch lange Zeit nach dem Weltkrieg die Toten von zu Hause aus zu ihrer letzten Ruhestätte begleitet. Daher leben da in diesem Zusammenhang noch viel mehr Bräuche.

Als ich meine Gewährsleute gefragt habe, ob sie die Bestattung auf die heutige oder auf die frühere Weise besser fanden, konnten sie keine eindeutige Antwort geben. Zwar war es früher aus gesundheitlicher Hinsicht nicht gut, aber es war jedenfalls viel mehr mit Gefühlen verbunden.

Leider habe ich vor kurzem meine Oma verloren. Ihr Tod traf uns alle sehr unerwartet und ich werde mein ganzes Leben lang bereuen, dass ich mich nicht richtig von ihr verabschieden durfte. Die Geschehnisse liefen so schnell ab, dass wir nicht einmal die Zeit dafür hatten, alles zu begreifen. Meine Eltern wollten mich und meine Schwester davor bewahren, dass wir sie immer, wenn wir in ihr Zimmer treten, tot liegen sehen. Wahrscheinlich war es auch nicht einfach, zwei Tage lang mit einem toten Menschen unter einem Dach zu schlafen, aber zumindest hatte man die Möglichkeit, sich von seinem Geliebten richtig zu verabschieden.

 

 

13. Tag der Allerheiligen und der Allerseelen

 

Am 1. November ist der Festtag der Allerheiligen. Im christlichen Kalender war das immer ein Feiertag, an dem der Seligen gedacht wird. Dieser Tag geht auch auf eine längere Vergangenheit zurück als der Tag der Allerseelen, an dem man der Toten gedenkt, über die man nicht weiß, wohin sie gekommen sind.

Vor diesen Tagen besuchen die Leute ihre Verstorbenen auf dem Friedhof. Es wird für die Verstorbenen gebetet und man stellt Blumen, Kränze sowie Kerzen auf den Grabstein. Am Abend beleuchtet Kerzenlicht den ganzen Friedhof.

Früher ging man nicht so oft auf den Friedhof wie heute. Nur an Jahrestagen, größeren katholischen Feiertagen und am Tag der Allerheiligen und Allerseelen. So mussten vor dem 1. November zuerst die Gräber in Ordnung gebracht werden. Zu Hause fertigten die Frauen aus verschiedenen Herbstblumen kleine Kränze an, die sie auf einen Stab aufreihten und so in den Friedhof brachten. Derjenige, der nicht hingehen konnte, zündete zu Hause so viele Lichter an, wie vieler Toten er sich gedachte.

An den Gräbern der Selbstmörder entzündete man kein Licht, weil sonst die Nachkommen das gleiche Schicksal haben könnten. Die Selbstmörder haben sich also auch aus der Gemeinschaft der Toten-lichter ausgeschlossen.

Man ging am Tag der Allerheiligen am Nachmittag nach der Litanei von der Kirche mit einer Prozession in den Friedhof. Während des Zuges betete man die Liturgie der Allerheiligen. Im Friedhof gab es eine Gedächtnisfeier und eine Fürbitte für die Toten. Abends um 6 Uhr beteten die Gläubigen mit einem Vorbeter vor dem mittleren Kreuz für die Verstorbenen. Am darauffolgenden Allerseelentag wurde die Frühmesse besucht und anschließend oft wieder der Friedhof aufgesucht. Viele versammelten sich auch zu Hause und beteten gemeinsam beim Kerzenlicht für ihre Verstorbenen.

Die Wirtshäuser waren zu dieser Zeit geschlossen.

Am Tag der Allerheiligen hat man sich hell angekleidet, aber am Tag der Allerseelen schwarz.

Am zweiten November machte man Kücheln, sogenannten  „Heiligen Striezel” [He:lig strizl]. Das ist ein Hefegebäck, das in kleiner Zopfform zusammengeflochten und dann mit Mohn bestreut wird.

Wahrscheinlich ist das ein heidnischer Brauch. Leopold Schmidt schreibt in seinem Buch „Volksglaube und Volksbrauch”, dass man die Überbleibsel von diesem Kuchen den Armen Seelen aufbewahrte, die an ihrem Festtag auf die Erde kommen. Deshalb legte man sie auf den Tisch, stellte brennende Kerzen um sie herum und wollte dann am anderen Morgen erkennen, dass die Toten wirklich gekommen waren und am Tisch gegessen haben. Diesen Aberglauben kennen die Werischwarer nicht, aber die Kücheln werden von unseren Großeltern immer noch gebacken.

Im vor kurzem herausgegebenen Werischwarer Gebetbuch findet man ein schönes Lied sowohl zu Allerheiligen als auch zu Allerseelen:

 

Auf, Christen, mit heiligem, hohem Entzücken

lasst uns in den offenen Himmel heut’ blicken,

betrachtet der Heiligen glänzende Schar,

die sterblich, gleich Menschen, auf Erden einst war.

 

In himmlischer Schönheit, viel heller als Sonnen,

auf ewig den irdischen Leiden entronnen.

Umgeben sie jubelnd den ewigen Thron,

geniessen der Heiligkeit seligen Lohn.

 

Geniesset in Frieden nach Trübsal und Leiden,

ihr Heilige Gottes, die süssesten Freuden;

doch denket bei eurem so herrlichen Glück

an eure noch streitenden Brüder zurück!

 

Maria, vor allen mit Hoheit verkläret,

als Vorbild der reinsten Tugend verehret,

o wären wir auch so demütig und rein,

so würden, wie du, wir auch selig sein.

 

Ja, Heilige Gottes, auch heilig zu leben

und selig zu sterben sei unser Bestreben;

dann wird uns bei euch einst auch Freude und Ruh’;

erfleht uns die göttliche Gnade dazu! 26

 

 

Schlummert sanft, ihr Hingeschied’nen, Gott schen euch die ew’ge Ruh’!

Über euren Gräbern leuchte auch das ew’ge Licht dazu.

Ruhet süss, leicht sei die Erde, über eurer stillen Gruft;

bis der Herr zum neuen Leben, euch ihr Hingeschied’nen, ruft.

Schlummert sanft ihr Väter, Mütter, schlafet süss in eurem Grab!

Mancher Kinder heisse Träne, fliesst als Tau zu euch hinab.

Ruht auch sanft ihr Brüder, Schwestern, die uns treu geliebet hier,

Gott im Himmel schenke liebend, seine Gnade euch dafür!

 

Schlummert alle, alle sanfte, die geliebet unser Herz,

Treue Freunde, Kameraden, ruhet aus von Leid und Schmerz!

Ruhet süss, wir seh’n uns wieder, einst im bessern Vaterland!

Ja, dorthin wird uns einst führen, unser’s guten Gottes Hand.27