Der Grabstein ist die
älteste bekannte Grabmalform, mit der man dem Verstorbenen eine bleibende
Erinnerung setzt. Er sollte auch dazu dienen, dass der Tote nicht zurückkehren kann.
Bereits aus der Neusteinzeit, aber auch aus früheren Zeiten sind auch noch
Steinstücke erhalten geblieben, die eines Toten gedenken.
Im Werischwarer
Friedhof wurde der älteste Grabstein, der heute noch auffindbar ist, im Jahre
1778 gesetzt. (Abb. 1.)
Das Holzkreuz
funktionierte für eine geraume Zeit nach der Beerdigung – abhängig vom
finanziellen Stand der Familie – als Grabstein, doch man war bestrebt, dem
Toten ein Andenken aus wetterbeständigem Material zu setzen. Meistens hat man
1-2 Jahre nach dem Tod des Familienmitglieds einen Grabstein aus Stein
anfertigen lassen.
Während früher das
Aufstellen eines Grabsteins zum Andenken an das verstorbene Familienmitglied
die Pflicht der Nachfolger war, kommt es heutzutage nicht selten vor, dass sich
die älteren Leute noch zu ihren Lebzeiten eine Grabstätte kaufen und dort einen
Grabstein mit ihrem Namen und Geburtsdatum aufstellen lassen, den sie ebenso
pflegen wie die Grabmäler der Verstorbenen.
In Werischwar
kann das Steinmetzhandwerk auf keine so langjährige Tradition zurückblicken wie
zum Beispiel in den Ortschaften, wo verschiedene Steine gefördert wurden. Es waren hier erst ab den ersten Jahrzehnten dieses
Jahrhunderts Steinmetzhandwerker tätig, vermutlich waren die ersten die
Mitglieder der Familie Peller und Feldhoffer.
Dieser Beruf wird von ihren Nachfolgern in der Familie, Kindern und
Enkelkindern auch heute noch ausgeübt. Bis dahin hat man die Grab-steine an
jenen Orten bestellt, wo die verschiedenen Steine gefördert wurden: in Süttõ, Zsámbék usw.
1. Material der Grabsteine
Es ist ziemlich schwer,
bei der Verwendung der unterschiedlichen Materialien eine Chronologie
aufzustellen; die Formen der Grabsteine können zeitlich eher eingegrenzt
werden.
Die ersten Grabsteine,
die in Werischwar vorkamen, waren
höchstwahrscheinlich aus natürlichen Steinen, die in der Umgebung gefördert
wurden, nämlich aus Bruchstein und Sandstein. Dabei war der rote Kalkstein
ständig vorhanden, er war wahrscheinlich am teuersten und daher nicht so
verbreitet. Erst etwas später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich
der Kunststein. In den 30er Jahren war der Kunststein besonders in Mode. Nach
dem Zweiten Weltkrieg waren die Kunststeingrabsteine immer noch sehr
verbreitet, aber zu dieser Zeit erschienen auch die ersten Marmor- und
Granitgrabsteine. Seit Mitte der 80er Jahre stehen wieder – wie bei den ersten
Grabsteinen – die natürlichen Steine im Vordergrund, so werden immer mehr
Grabsteine aus Granit und Marmor angefertigt. Der Granit wurde auch wegen seiner
Dauerhaftigkeit so beliebt. Außerdem verliert er seine Farbe nicht und ist in
vielen Farben zu kaufen.
Die Gräber werden
ungefähr seit den 60er Jahren, seit dem es viereckige Grabsteine gibt, mit
einem Kunststeindeckel zugedeckt, oft mit der Begründung, dass man keine Zeit
hat, das Grab zu pflegen. Vor kurzem kam es in Mode, dass man nur einen Teil
des Grabes zudeckt, den anderen lässt man für die verschiedenen Pflanzen frei.
Eine kurze Beschreibung
zeigt die wichtigsten Merkmale der Grabsteinrohstoffe.
Der Sandstein
(Kalksandstein), der an vielen Orten in der Gegend gefördert wurde, ist eine
Weichgesteinsorte. Dieser Stein ist wegen seiner leichten
Bearbeitungsmöglichkeit gut anwendbar. Er weist eine einheitliche, grauweiße
Farbe auf. Es fällt einem sofort auf, dass dieser Stein viel dicker (min. 20-25
cm) ist, als die anderen, weil er sehr weich ist. Die Sandsteine können später
kaum erneuert werden, denn mit der Zeit bröckeln von ihrer Oberfläche Teile ab.
Deshalb sind bei älteren Denkmälern der Beschriftung Grenzen gesetzt.
Der rote Kalkstein, auch
Marmor genannt, stammt aus Süttõ und aus Tardosbánya. Das
ist eine harte Steinsorte, die wetterhaft ist. Mit der Zeit verliert er zwar
seine rosarote Farbe, aber durch Schleifen kann sie zurückgewonnen werden.
Die Bruchsteine bestehen
aus größeren, groben Körnchen, so kann man sie nicht besonders fein bearbeiten.
Es ist auch schwer, in diese Steine die Buchstaben einzumeißeln. Diese Steine
werden in Pilisborosjenõ und in Budakalász
in verschiedenen Farben (gelb, braun) gefördert, aber mit der Zeit werden sie
grau.
Am verbreitetesten sind
die Kunststeingrabsteine. Ein Vorteil dieser Steine ist, dass sie schnell
hergestellt werden können. Dabei arbeitet man mit Schablonen. Ende der 30er
Jahre hat man ihnen sogar verschiedene Farben verliehen. Dazu verwendeten die Steinmetzen verschiedene gemahlene Steine. Diese waren
meistens schwarz, rot und gelb. Auf diesen Kunstgrabsteinen wurde außer den
Buchstaben nichts behauen, selbst die verschiedensten Figuren wurden in eine
Form gegossen.
Den Marmor besorgten die
Steinmetzen aus Carrara (Italien) oder aus Ruskica
(Rumänien). Der zuerst genannte ist weiß und besteht aus kleineren Körnchen,
der andere dagegen ist eher grau und ist wegen den größeren Körnchen schwerer
zu bearbeiten.
2. Entwicklung der
Grabsteinformen
In dem nun folgenden Teil
wird die Entwicklung der Grabsteinformen mit Hilfe von Zeichnungen und Photos wiedergegeben. (Abb. 2.) Es wird eine relative
Chronologie aufgestellt, denn man kann nicht wissen, wann dem Verstorbenen ein
Grabmal gesetzt wurde und ob dies nicht erst bei der Anlegung eines
Familiengrabes erfolgte.
Die älteste Form des
Grabsteins ist das Kreuz, das aus einem Herzen erwächst. Für die Anfertigung
dieses Grabmals benutzte man den Bruchstein oder den roten Kalkstein. (Abb. 3.)
Daraus entstand etwas
später das glatte Kreuz, wofür ich die meisten Beispiele fand. (Abb. 4-7.) Mit
der Zeit wurden die Grabsteine immer mehr verziert (Abb. 8.), so können wir bis
zu den 30er Jahren zahlreiche Beispiele für das Säulenkreuz finden. Am Anfang
wurden diese aus Sandstein angefertigt, später fast ausschließlich aus
Kunst-stein. Sie kommen in verschiedenen Größen vor, die vom Alter des
Verstorbenen abhingen: so war das Grabmal war bei Kleinkindern viel kleiner als
bei Erwachsenen. (Abb. 9-17.)
Für die 30er Jahren ist
es charakteristisch, dass die vermutlich reicheren Familien ihren Verstorbenen
nicht ein Kreuz, sondern eine Statue als Grabstein aus Kunststein gesetzt haben.
Bei den Kindern war das meistens eine Engelsfigur oder ein unschuldig betendes
Kind. Bei etwas älteren Leuten stellte dieser Grabstein Christus dar. (Abb.
18-20.)
In den 40er Jahren hat
sich der Grabstein mit alleinstehendem Kreuz verbreitet. Auf den Kreuzteil ist
eine dunkelblaue, schwarz wirkende Glaseinlage angebracht, worauf sich ein
Korpus aus Porzellan oder Bronze befindet. Auf den beiden Seiten des Kreuzes
gibt es Licht- oder Blumenbehälter, die das Grabmal noch mehr verzieren. (Abb.
21-23.)
Ab 1950 findet man immer
mehr Marmor- und Granitgrabsteine, die viereckig sind. Bei einigen Grabmälern
ist nur die Schrifttafel aus Marmor oder Granit und die anderen Teile sind aus
Kunststein. (Abb. 24-27.) Die „Permite” (pyramidenförmiger Grabstein) war in dieser Gegend
nicht besonders verbreitet. Im Werischwarer Friedhof
gibt es nur zwei, die vermutlich Ende der 40er Jahre gesetzt wurden. (Abb.
28-29.)
Für Familien werden ganz
selten Grüfte gestellt. Die älteren Familiengrüfte sind nicht weit vom Eingang
zu finden. Hier wurden meistens die Leute beigesetzt, die sich im Leben des
Dorfes besonders hervorgetan haben oder die ein wichtiges Amt bekleideten. So
liegen da u.a. ein Arzt, ein Lehrer, ein Kantor, ein Notar, ein Oberleutnant,
ein Feuerwehrkommandant. Im Friedhof gibt es nur eine Gruft, die mit einem Zaun
umgeben ist. (Abb. 30.)
In den letzten
Jahrzehnten steht bei den Grüften ein einfacher, moderner Grabstein und das
Grab wird mit einem Kunststeindeckel abgedeckt. (Abb. 31, 32.)
3. Symbole und Schrift
Die Grabsteine sind nicht
nur Zeichen an sich, sie sind gleichzeitig auch Träger von Zeichen, deren Vorkommenshäufigkeit, Kombinationen und Interpretationen
ebenfalls einen Untersuchungsgegenstand darstellen können. Als Elemente des
Grabmals werden das Material, die gemeißelten und/oder gemalten Ornamente, Reliefe und andere Verzierungen, sowie die Schrift erwähnt.
Diese erfüllen Symbolfunktionen, ohne jedoch von den meisten Friedhofsbesuchern
als solche anerkannt zu werden.
Wenn man ein typisches
Kreuz betrachtet, kann man eigentlich fünf Teile voneinander unterscheiden: Das
Kreuz, das Gesims, die Schrifttafel, eine breitere Schrifttafel, worin die
Verse eingemeißelt wurden und den Sockel. (Abb. 33.) Im Gesims und im Sockel
sind verschiedene Motive zu sehen, die auf irgendwelche Weise mit dem
Verstorbenen in Verbindung gebracht werden können.
Auf den Grabsteinen sind
verschiedene Grabzeichen zu finden, die in den Stein gemeißelt, sich von dem
Stein reliefartig abhebend, gemalt oder angeklebt (Fotos) am Grabstein
vorkommen. (Abb. 35-41.) Diese geben diesem in Verbindung mit der Schrift eine
besondere Erhabenheit. Man war bestrebt, solche Symbole zu verwenden, die mit
der Lebensführung, mit der Arbeit, mit den besonderen Leistungen des Toten zusammenhingen
bzw. auf seine positiven Eigenschaften hinwiesen.
Im Friedhof von Werischwar sind folgende Symbole zu finden:
Das Kreuzmotiv, meistens
ohne, seltener mit Korpus (symbolisiert die christliche Weltanschauung, ist ein
allgemeines Sinnbild des christlichen Glaubens)
Das Kreuz mit
Palmenzweigen (ist eine Anspielung auf die Bibel, als das Volk den Einzug
Christi am Palmsonntag in Jerusalem mit Palmenzweigen begrüßte, um ihm seine
Huldigung darzubringen)
Das Kreuz, der Anker und
das flammende Herz (sind Symbole der Religion, der Beständigkeit des
christlichen Glaubens sowie der Hoffnung auf die Auferstehung, sind also die 3
Eckpfeiler des irdischen Lebens)
Das Herz (wird als
Glaube, Liebe, Hoffnung gedeutet, ist ein Symbol für den gläubigen Menschen)
Die Flamme und die
Flammenschalen (sind Zeichen des ewigen Lebens)
Die Buchstaben IHS
(Abkürzung für Jesus als Hominum Salvator, Jesus der
Menschen Erretter bzw. für In Hoc Signo,
also in diesem Zeichen ...)
Die Buchstaben INRI
(Abkürzung von Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, Jesus von Nazareth, König der Juden)
Christus- und Mariaköpfe (Sinnbilder des Glaubens)
Ein Engelskopf oder eine
Engelsfigur (symbolisiert die Unschuld, wird vor allem bei Kindern eingesetzt)
Die Trauerweide (Als Baum
symbolisiert dieses Motiv den Lebensbaum, zugleich ist es aber auch ein
Sinnbild des Todes, Ausdruck der Entsagung, der Hoffnungslosigkeit, der Trauer
und der Schmerzen.)
Blumen (beliebte
Zierelemente, Zeichen der Vergänglichkeit und des Wiedersehens nach dem Tode)
Der Myrtenkranz (ist ein
Symbol der Unschuld und der Reinheit, schmückt das Grabmal der Unverheirateten,
denen im irdischen Leben die Hochzeit nicht vergönnt war)
Die Rose (Anspielung auf
Maria, symbolisiert das ewige Leben sowie die Vergänglichkeit des Lebens)
Rosmarinverzierungen
(Rosmarin steht zur Vertreibung der bösen Geister, stand an den Grabsteinen der
Jugendlichen)
Die Taube (Symbol des
Friedens)
Zwei Hammer
(stehen als Andenken an verstorbene Bergleute)
Die meisten Symbole sind aus
Kunststein und werden mit Hilfe einer vorgegeben Form ausgegossen. Die Motive
ragen aus der Steinfläche heraus. Oft sind auch Porzellanfiguren an den
Grabsteinen angebracht, diese sind hauptsächlich Engel und kommen bei
Kleinkindern oft vor.
Andere Motive dagegen,
sowie die Inschriften werden in den Stein eingemeißelt und nachher gefärbt.
Zwei Farben waren beliebt: Gold und Schwarz. Das Vergolden der Buchstaben
geschah und geschieht heute noch so, dass ein Goldblatt auf die Schrift gelegt
wird und dieses mit einem weichen Morderpinsel in die
Vertiefung gedrückt wird. Die Farben sind leider nicht wetterfest, so sind
heute nur einige wiederhergestellte Grabsteine in ihrem ursprünglichen Zustand
zu sehen.
Ungefähr seit den 30er
Jahren werden die Grabsteine auch mit einem ovalförmigen
Foto des Verstorbenen geschmückt. Diese waren sowohl bei Kindern und
Jugendlichen (bei Geschwistern), als auch bei älteren Leuten (bei Ehepaaren)
ein fester Bestandteil des Grabmals. Die Fotos wurden mit einer bestimmten
Technologie auf den Stein übertragen und mit einer Schutzglasur überzogen. Oft
fehlen die ursprünglichen Fotos an den Grabsteinen, man sieht nur ihren Platz.
Ende der 80er Jahre kam
es in Mode, dass das Bild des Verstorbenen in den Grabstein ganz lebensnah hineingraviert wird. (Abb. 42.)
Die Schrift ist auch ein
wichtiger Bestandteil des Grabmals, das diesem Leben und Sprache verleiht. Sie
bildet mit der Form eine geschlossene Einheit und steht immer mit dem
Verstorbenen bzw. mit seinem Leben in Verbindung.
Die Buchstaben, die die
Meister bei der Schriftgestaltung verwendeten, waren bis zum Ende der 40er
Jahre größtenteils gotisch, heute wird fast ausschließlich nur das lateinische
Alphabet verwendet. Der gewünschte Text wurde und wird auch heute auch noch eher
in Blockschrift auf den Grabstein gebracht. Die beiden Schreibweisen haben die
Meister in der Schule erlernt. (Abb. 34.) Die Buchstaben werden dann auf dem
Grabstein noch mit Verzierungen versehen. Die erste ungarische Grabinschrift
stammt aus dem Jahre 1923 und ihre Zahl nahm im Laufe der Jahre immer mehr zu.
Man kann sagen, dass seit den 40er Jahren fast nur ungarische Grabinschriften
zu finden sind.
Bei der Schriftausführung
sind zwei wesentliche Arten voneinander zu unterscheiden: die vertiefte Schrift
wird keil- oder flachnutenförmig in den Grabstein eingemeißelt. Bei der
erhabenen Schrift bleiben die Buchstaben in der Höhe der Steinfläche stehen und
nur ihr Grund wird ausgearbeitet. Das wird durch die farbliche Gestaltung
(Schwarz oder Gold) noch mehr hervorgehoben. Für die letztere Bearbeitungsart
fand ich aber eher in der jüngsten Vergangenheit Beispiele.